Europäische Kulturhauptstadt: Ja, aber!

Entscheidung erst 2018
Der heutige Beschluss ist noch keine endgültige Entscheidung über eine mögliche Bewerbung, diese erfolgt erst 2018. Der Beschluss beinhaltet lediglich einen Auftrag, eine Entscheidung für eine gemeinsame Bewerbung vorzubereiten. Es ist ein ergebnisoffener Prozess.

Entscheidende Fragen: Brauchen wir die Europäische Kulturhauptstadt und ist sie uns 30 Millionen Euro wert?
Wir brauchen sie nicht, aber sie bietet viele Chancen:

  1. Stärkung des regionalen Bewusstseins
    Wenn Bregenz, Dornbirn, Hohenems und Feldkirch gemeinsam eine Bewerbung ausarbeiten, ist dies von großem Wert. Die Bewerbung bietet die Chance, uns mehr als bisher als zusammenwachsende Region zu begreifen, als Rheintalstadt. Viel zu sehr dominiert doch noch immer in der Politik unserer Kleinstädte das Kirchtum-Denken. Mit der „Vision Rheintal“ wurde begonnen, dieses provinzielle Denken etwas aufzubrechen, die gemeinsame Bewerbung zur Kulturhauptstadt kann einen zusätzlichen Schub in Richtung intensiverer Zusammenarbeit in unserer gemeinsamen Rheintalstadt auslösen.
    Erfolgreich ist dieser Gedanke aber nur, wenn er nicht nur von den Eliten oder denjenigen, die sich dafür halten, getragen wird, sondern wenn wir es schaffen, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für unsere gemeinsame Rheintalstadt zu schaffen.
  2. Erweiterung des Kulturbegriffes
    Bei der Europäischen Kulturhauptstadt geht es nicht um eine Leistungsschau dessen, was alles an Kulturentwicklung schon gleistet wurde oder vorhanden ist.
    Vielmehr geht es um die Frage, was braucht unsere Region für eine künftige nachhaltige Kulturentwicklung? Vor Kurzem wurde zwar eine neue Kulturstrategie des Landes festgelegt, die aber nur in kleinen elitären Zirkeln bekannt sein dürfte.
    Erfolgreich und finanziell vertretbar ist das Projekt Kulturhauptstadt nur dann, wenn es gelingt, den Kulturbegriff so zu fassen, dass sich auch breite Schichten der Bevölkerung damit identifizieren können, wenn es gelingt, den Kulturbegriff breiter zu fassen, der Kultur einen neuen Stellenwert, ein neues Image zu geben.
    Ein erweiterter Kulturbegriff muss beispielsweise Fragen beinhalten wie: Wie wollen wir in 20 Jahren leben? Was sind die großen Herausforderungen unserer Region in Zukunft? Zum Beispiel was leistbares Wohnen und neue Wohnformen anlangt oder was kreative Entwicklungsräume anlangt.
    Wenn wir es nicht schaffen, dass sich viele Menschen mit dem Projekt identifizieren können, ist der finanzielle Aufwand nicht zu rechtfertigen.
  3. Gemeinsame Gestaltung unserer Region
    Mit dem Ruhrgebiet wurde 2010 eine Region zur Europäischen Kulturhauptstadt. Unter dem Motto „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ ging es vor allem darum, eine Metropol-Region zu gestalten, unter Einbezug der Stadtplanung, der Landschaftsgestaltung, der Architektur und der verschiedenen Kunstrichtungen, es ging darum, Impulse für eine Region im Wandel zu schaffen.
    Auch das Rheintal hat einen enormen Strukturwandel durchgemacht, und auch für uns würde sich die Chance bieten, gemeinsam unsere kulturelle Identität neu zu definieren und unsere sich wandelnde Region gemeinsam zu gestalten.
  4. Zusammenleben verschiedener Kulturen
    Und so ein Kulturprojekt muss die große Vielfalt an Kulturen in unserer Region widerspiegeln. Das heißt unter anderem auch, die migrantischen Kulturen sind nicht nur sichtbar ein Teil unserer Kultur, sondern sie nehmen teil am gemeinsamen Projekt.
  5. Einbindung der Bevölkerung
    Erfolgreich sind wir nur dann, wenn wir es schaffen, einen breiten Partizipationsprozess zu starten, an dem möglichst viele teilnehmen.
  6. Klarheit über Finanzierung
    Viele Kulturschaffenden habe die Sorge, die Kosten für die Kulturhauptstadt gingen auf Kosten künftiger Kulturbudgets.
    Für die Kulturhauptstadt-Aktivitäten sollen bis zu 24 Dienstposten und gleich 3 Direktoren geschaffen werden. Bisher wurde dieser enorme personelle Aufwand nicht schlüssig begründet, ebenso wenig deutlich sind die Folgekosten nach 2024. Der personelle Aufwand muss daher noch einmal überarbeitet werden.
    Bis 2018 muss völlige Klarheit über die Finanzierung in den einzelnen Städten bestehen und es muss ein nachvollziehbares Konzept einer Sonderfinanzierung auf dem Tisch liegen.

 

Eine Bemerkung noch Richtung Land Vorarlberg:
Es ist schon erstaunlich, dass das Land mit der gemeinsamen Initiative der vier Städte keine Freude hat. Man müsste doch meinen, das Land würde mit großer Freude eine so weitreichende Kooperation seiner Städte begrüßen. Weit gefehlt. Wahrscheinlich beginnt das Kirchtum-Denken bereits im Land und wahrscheinlich hat das Land auch Angst, seine Kulturstrategie sehe schon bald etwas alt aus. Christa Dietrich hat heute in den VN in einem Kommentar „Rund um die Kulturhauptstadt“ treffend geschrieben: „Jedenfalls zeigt sich, dass mit der Kulturhauptstadt-Debatte mehr in Bewegung geraten ist als mit der Kulturstrategie des Landes.“

Wenn wir es schaffen, dass für breite Schichten der Bevölkerung ein nachhaltiger Mehrwert deutlich wird, wenn ein breiter Beteiligungsprozess stattfindet und die Skeptiker und Kritiker gerade unter Kulturschaffenden einbezogen werden, macht der heutige Beschluss Sinn.
Dafür ist aber noch viel zu tun. Das dem heutigen Beschluss zugrundeliegende Dossier ist nicht mehr als ein erstes Papier, das inhaltlich vertieft werden muss.
Letztlich entscheiden wir erst 2018.
Geben wir der gemeinsamen Initiative der vier Städte eine Chance und sehen wir sie als große, spannende Herausforderung, aus der Neues erwachsen kann, vor allem der Wille zur gemeinsamen Gestaltung unserer Region, der Rheintalstadt.

4. Juli 2016
Für die Dornbirner SPÖ
Stadtrat Gebhard Greber