Konsequent gegen Grenzüberschreitungen bei uns vorgehen, aber gleichzeitig vor Ort helfen!

Lebenssituation der Roma in Rumänien

Wer auf Dornbirns Straßen sitzt, kommt aus einer völlig anderen Welt, er stammt zumeist aus Straßen, die aus Morast bestehen, er stammt aus erbärmlichen Verhältnissen. Aus Behausungen, zusammengenagelt aus dem, was gerade da war. Der Großteil der Roma in Rumänien lebt marginalisiert am Rande der Städte, in Vierteln, die an Slums in Entwicklungsländer erinnern.
Nach Zeit Online (21.2.2013) haben 72% der Roma in Rumänien keinen Zugang zu fließendem Wasser und verfügen über keine Toiletten-Einrichtungen, 75% haben keinen Gasanschluss. Über zwei Drittel der Roma-Kinder in Bulgarien besuchen segregierte Roma-Schulen, an denen es Lehrer als Strafe empfinden, unterrichten zu müssen. In Salzburg wurden die Bettler auf den Straßen zu einem hitzigen Wahlkampfthema. Die Salzburger Nachrichten haben daher recherchiert, woher und aus welchen Verhältnissen die Bettler kommen.
Am 17.2.2014 war beispielsweise in den SN über die Situation der Roma zu lesen: Im Winter gebe es kaum Arbeit, im Sommer arbeiteten viele Roma bei den Bauern der Umgebung, 20 Euro pro Tag bekämen sie dafür. Das sei fast gar nichts, denn das Leben in Rumänien sei nicht viel billiger als in Österreich. Gerade einmal 90 Euro staatliche Hilfe im Monat gebe es für eine Großfamilie. Unmöglich, damit einen Monat zu überstehen. „Manch ein Bettler in der Salzburger Getreidegasse „verdient“ diese Summe in zwei, drei Tagen.

Wer trägt die Schuld?

Womit sich die Politik, die Verwaltung und die Polizei in Dornbirn und anderen Kommunen herumschlagen, ist ein europäisches Problem. Ein Problem, dessen Europa unwürdig ist. Schuld daran haben zuerst einmal die Regierungen in Bukarest und Sofia, aber auch die nationalen Regierungen der europäischen Länder, die EU und, ja, vermutlich auch viele Roma selbst.

2007 traten Bulgarien und Rumänien der EU bei. Der Fehler der EU und der Regierungen der Mitgliedsstaaten war es, den Beitritt schon zu diesem Zeitpunkt anzustreben. Die beiden Postdiktaturen hinkten nicht nur in Sachen Rechtsstaatlichkeit hinterher, sondern auch beim Minderheitenschutz. Die amtliche Hoffnung lautete, dass sich die Standards schon angleichen würden, wenn diese Staaten erst einmal EU-Mitglieder seien. Das Gegenteil geschah aber. „Die in den Beitrittsverhandlungen mit der EU eingeforderten Minderheitenrechte wurden zwar pro forma ins Rechtssystem aufgenommen, de facto aber nicht umgesetzt“, so der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Die Folge: Viele Roma in Ost- und Südeuropa befänden sich nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime in einer schlechteren Lage als zuvor.

Ein erheblicher Teil der nicht geringen EU-Hilfe für Roma versickert wegen der hohen Korruption in Rumänien und Bulgarien in dunklen Kanälen und erreicht nicht die in Armut lebenden Menschen. Der zweite große Fehler der EU – der Brüsseler Kommission – ist der Irrglaube, die Fehlverwendung von EU-Geldern mit noch mehr Hilfsgeldern korrigieren zu können – um sich dann zu wundern, dass die Osteuropäer „EU-Mittel nicht ordentlich für die effektive soziale und ökonomische Integration der Roma nutzen“. Das Open Society Institute, einer der kenntnisreichsten Thinktanks in Roma-Fragen, wirft den neuen Mitgliedsstaaten vor, „hartnäckig gleichgültig“ zu bleiben, wenn es um Inklusion und Chancengleichheit für Roma gehe. Wo bitte bleibt der angemessene politische Druck aus Brüssel, wo der Druck aus Berlin, Paris oder Wien? Warum prangern sie nicht die Zustände in den Herkunftsländern der Roma an? Man sollte meinen, dass die anhaltende Diskriminierung von 6,2 Millionen EU-Bürgern der Europäischen Union wichtiger sein sollte, als Erleichterungen beim Onlineshopping zu feiern.
Und die Roma selbst? Auch von ihnen darf man erwarten, dass sie Europa nicht falsch verstehen. Freizügigkeit ist nicht dazu da, vor zumutbaren Integrationsanstrengungen im eigenen Land zu fliehen. Doch damit ihre Herkunftsländer zu ihrer Heimat werden können, brauchen sie vereinte Hilfe.

Unhaltbare Zustände in Dornbirn

Auch wenn es sich bei den bettelnden Roma um Menschen handelt, die in ihren Herkunftsländern am Rande der Gesellschaft, zumeist in großer Armut leben und wir auch aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung – an die 500.000 Sinti und Roma wurden ermordet – besonders sensibel auch in unserer Wortwahl sein sollten, so müssen wir doch klar festhalten: Gesetze und Regeln einer Gesellschaft gelten für alle Menschen gleichermaßen, unabhängig von ihrer Herkunft.

Dass bettelnde Personen in Dornbirn immer wieder Grenzen überschreiten, darf nicht akzeptiert werden. Aggressive Formen des Bettelns – besonders gegenüber älteren Menschen, die sich weniger wehren können, unhaltbare hygienische Zustände, Verunreinigungen mit Müll und Fäkalien, Plünderung der Altkleidercontainer und Verstreuung der Alttextilien in der Umgebung können nicht schöngeredet werden. Ebenso ist es Tatsache, dass beispielsweise die Nutzung des Naherholungsgebiet Dornbirner Ache für die Bevölkerung erheblich eingeschränkt wurde, ebenso teilweise der Zugang und die Benützung des Bahnhofs und der Busbahnhofs. Inakzeptabel ist auch, dass mit Kindern gebettelt wird.

Betteln als Geschäftsmodell

Die Bettelei ist ein organisiertes Geschäftsmodell ganzer Großfamilien oder Clans, bei dem mehr herausschaut als bei der dürftigen Sozialunterstützung in Rumänien und bei Gelegenheitsarbeiten. Ich will ein solches Geschäftsmodell nicht unterstützen. Ich will auch nicht ein Modell unterstützen, bei dem Frauen bei jeder Kälte auf der Straße ausharren müssen, während sich die meisten Männer nur dadurch hervortun, dass sie den Frauen danach das Geld abnehmen. Und ich will auch nicht ein System unterstützen, bei dem Kinder instrumentalisiert werden. Kinder gehören in die Schule und nicht auf die Straße.

Doppelter Handlungsbedarf

Eine Bürgerin unserer Stadt hat per Mail vor wenigen Tagen zum Ausdruck gebracht, was eine große Mehrheit der Dornbirner Bevölkerung denkt: „Das kann doch nicht sein, dass man sich an gar keine Regeln halten muss! … was ist aus meiner Heimatstadt Dornbirn geworden?“

Wir müssen solche Hilferufe sehr ernst nehmen. Tun wir das nicht, droht in der Frage der Flüchtlinge die Stimmung zu kippen. Die Bevölkerung und Wirtschaftstreibende erwarten sich von der Politik klare Signale. Aber genauso sind wir aus humanitären Gründen verpflichtet zu helfen, insbesondere den Kindern und Jugendlichen, um den Teufelskreis der Armut zu brechen.

 

Was ist konkret zu tun?

Ich glaube, wir müssen beides tun: Die Rechtsgrundlagen verbessern, um gegen die unhaltbaren Zustände auch vorgehen zu können. Gleichzeitig sollten wir aber einen Beitrag leisten, die Wurzeln des Problems, die Lebenssituation der Roma in Rumänien zu verbessern.

  1. Alle gesetzlichen Möglichkeiten sind auszuschöpfen, um gegen die Grenzüberschreitungen vorgehen zu können. Spielregeln und Gesetze sind einzuhalten, und zwar von allen, ganz gleich, woher man kommt. Daher ist die Dornbirner SPÖ für eine Verbesserung der Rechtsgrundlagen, sei es durch das Verbot des Bettelns mit Kindern oder die Verordnung der Stadt, dass in Dornbirn das Errichten von wilden Zeltlagern verboten wird, außer es stehen einwandfreie Sanitäranlagen zur Verfügung und eine geordnete Abfallentsorgung ist sichergestellt. Auch unterstützen wir ein Bettelverbot an besonderen Orten und zu besonderen Zeiten.
  2. Natürlich helfen wir auch, aber vor Ort. Pater Sporschill, der in Rumänien in mehreren Projekten Straßenkinder und Roma-Familien hilft, meint, das Roma-Problem müsse in Rumänien gelöst werden, dies könne nicht in Vorarlberg geschehen. Statt in Dornbirn Almosen zu geben, solle man konkrete Roma-Projekte in Rumänien unterstützen. Ich kann dies nur voll unterstreichen. Ich bin daher im Stadtrat mit dafür eingetreten, dass die Stadt Dornbirn ein Spendenkonto einrichtet, um Roma-Projekte vor Ort zu finanzieren. Dabei geht es vor allem um den Schulbesuch von Roma-Kindern und deren Nachmittagsbetreuung, um Ausbildungs- und Arbeitsprojekte und die Verbesserung der kaum vorhandenen Infrastruktur. Es ist sinnvoller, vor Ort zu helfen, als in Dornbirn Almosen zu spenden. Wenn etwas auf Dauer hilft, dann die Schulbildung für Roma-Kinder.
    Diese Hilfe muss aber auch angenommen werden. Dies liegt aber in der Selbstverantwortung der Roma-Familien. Natürlich reicht es nicht, die Roma-Familien zur Heimkehr zu bewegen und in ihrer Heimat Projekte zu finanzieren, die erst mittel- und langfristig wirken. Sie brauchen dort auch Soforthilfe und jemanden, an den sie sich wenden können. Die Stadt Dornbirn hat daher mit Pater Sporschill und der Caritas in Rumänien vereinbart, dass sich heimkehrende Personen an diese Adressen wenden können.

Der Vorschlag der Grünen, für einen geordneten Umgang zu sorgen, indem in Vorarlberg zwei Campingplätze mit warmen Zelten und Sanitäranlagen eingerichtet werden, halte ich für grundlegend falsch. Denn das würde die Attraktivität Dornbirns als Bettelort erheblich steigern, die Probleme würden durch einen verstärkten Zuzug von bettelnden Menschen noch viel größer werden und vor allem würden noch mehr Kinder in Vorarlberg betteln anstatt in Rumänien eine Schule zu besuchen. Dies ist der falsche Weg. Wer helfen will, muss vor Ort in Rumänien helfen.
Bei aller Diskussion und Hilfsbereitschaft für Roma-Familien dürfen wir aber auf keinen Fall vergessen, dass es auch in Vorarlberg Armut gibt und viele Familien armutsgefährdet sind.

Für die Dornbirner SPÖ geht es darum, zwei klare Signale auszusenden:

  1. Wir wollen konsequent gegen Grenzüberschreitungen vorgehen. Deshalb beschließen wir entsprechende rechtliche Grundlagen. Spielregeln und Gesetze sind von allen einzuhalten, unabhängig davon, wer man ist und woher man kommt.
  2. Die Roma-Familien brauchen nachhaltige Hilfe vor Ort in Rumänien. Deshalb ersuchen wir alle, die helfen wollen, nicht Almosen in Dornbirn zu geben, sondern besser auf das eigens von der Stadt eingerichtete Konto „Hilfe für Roma in Rumänien“ zu spenden.

12.11.2015
Für die Dornbirner SPÖ, Stadtrat Gebhard Greber