Die Versickerung ist notwendig, muss aber für alle bezahlbar sein.
Vorgeschichte
1954 hat der Dornbirner Stadtrat erstmals die Ausarbeitung eines generellen Kanalisationsprojektes für die ganze Stadt beschlossen, das nach einer 5-jährigen Planungsphase 1961 durch das Land wasserrechtlich genehmigt wurde. Damals wurde ein Mischsystem gewählt, das heißt, auch die Dach- und Oberflächenwässer werden gemeinsam mit den Schmutzwässern in den Kanal eingeleitet. Dadurch sollte eine Verdünnung des Abwassers erfolgen – eine Kläranlage gab es damals noch nicht – und Geruchsprobleme sollten dadurch reduziert werden. Seit den 1980er-Jahren hat sich durch den Wegfall der Textilindustrie die Situation grundlegend geändert: Die Abwässer, die bei der ARA anlangen, sind eine zu „dünne Suppe“ und verursachen hohe Kosten. Heute ist nur noch rund ein Viertel der Jahresfracht vergebührtes Abwasser, ein Viertel sind reinigungsbedürftige Straßenabwässer. Ein Viertel des in die Kanalisation geleiteten Wassers sind aber Drainage- und Quellwässer und ein weiteres Viertel Dach- und Vorplatzwässer, die eigentlich nicht im Kanal sein sollten.
Versickerung der Dach- und Vorplatzwässer
- Gesetzliche Verpflichtung
Das Land Vorarlberg schreibt im Kanalisationsgesetz den Gemeinden vor, in ihren Kanalordnungen dafür Sorge zu tragen, dass überall dort, wo es möglich ist, Niederschlagswässer (Dach- und Vorplatzwässer) nicht mehr in den Kanal eingeleitet werden. Im Landesgesetz heißt es:
„Von der Gemeindevertretung ist nach Möglichkeit anzuordnen, dass Niederschlagswässer, die nicht reinigungsbedürftig sind, nicht in die Kanalisation eingeleitet werden dürfen.“
Das heißt, die Stadt muss bei Neubaubescheiden und im Zuge von Kanalerneuerungen und -sanierungen eine Versickerung des Regenwassers auf privatem Grund vorschreiben:
* Bei Neubaubewilligungen wird dies längst getan. Dort wo keine Versickerung möglich ist
(Lehmboden), werden Retentionsmaßnahmen vorgeschrieben.
* Neu ist aber, dass die Stadt seit einigen Jahren aufgrund der gesetzlichen Lage auch überall dort, wo
sie den Kanal erneuert, eine Versickerung der Regenwässer auf privatem Grund vorschreiben muss. - Sinnvolle Maßnahme aus mehreren Gründen
Eine stärkere Versickerung der Niederschlagswässer hat mehrere Vorteile und ist notwendig:
* Die teilweise Überlastung des Kanalnetzes (hydraulische Überlastung) wird reduziert und Kosten im
Kanalbau werden gespart, da manche Hauptkanäle nicht ausgetauscht und größer dimensioniert
werden müssen.
* Es kommt zu weniger Überstaus im Kanalnetz und somit zu weniger Kellerüberflutungen. Immer
wieder müssen wegen des überlasteten Kanalnetzes bei Starkregen Keller in vielen Feuerwehrein-
sätzen ausgepumpt werden.
* Durch eine verstärkte Versickerung sinkt der Grundwasserspiegel nicht mehr weiter wie in den
letzten Jahrzehnten, somit ist die Gefahr von Setzungen des Bodens und daraus resultierender
Bauschäden geringer.
* Bei der ARA werden entscheidend Kosten gespart, was sich positiv auf die Kanalgebühren auswirkt.
* Durch verstärkte Versickerungen wird ein wesentlicher Beitrag für den Hochwasserschutz geleistet,
da dann die Bäche, die das Regenwasser aus den Regenwasserkanälen aufnehmen, weniger stark
ausgebaut werden müssen.
Kanalsanierungen
Dornbirns Kanäle sind zum Teil sehr alt, das heißt, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden viele Kanäle erneuert werden müssen. Derzeit läuft ein Projekt einer großflächigen Bestandsaufnahme bzw. Überprüfung des gesamten Kanalnetzes, das in 2 bis 3 Jahren abgeschlossen sein wird und mehrere Millionen kostet. Allein 2019 sind dafür 800.000 Euro im Budget vorgesehen. Daraus abgeleitet wird dann ein Zeitfahrplan der Sanierung erstellt, sodass die BürgerInnen in etwa wissen, wann bei ihnen der Kanal saniert wird.
Kanalsanierungsprojekte, die derzeit und in den nächsten 3 Jahren anstehen, sind: Bürglegasse, Pfarrgasse, Haldengasse, Teile der Sebastianstraße, Moosmahdstraße, Schmelzhütterstraße,…
Nicht alles kann aber geplant werden. Dornbirn durchlebt derzeit eine sehr dynamische Entwicklung, das bedeutet, neue Wohnanlagen entstehen, das Fernwärmenetz wird ausgebaut oder der Internetausbau schreitet voran. Dafür müssen von verschiedensten Leitungsträgern Straßen aufgerissen werden. Dabei ist es sinnvoll, wenn auch die Stadt dann ihren Kanal und das Wasserleitungsnetz erneuert.
Finanzielle Belastung für Private
Die Vorschreibung einer Regenversickerung (Dach- und Vorplatzwässer) auf eigenem Boden bedeutet zum Teil erhebliche Kosten für den einzelnen Bürger/die einzelne Bürgerin, zwischen 2.000 Euro bis zu über 10.000 Euro. Im Durchschnitt belaufen sich die Kosten auf 5.200 Euro. Die finanziellen Belastungen sind für einzelne also hoch.
Entgegenkommen der Stadt
Die Stadt ist nur zuständig für den Kanal. Den privaten Kanalanschluss und die Versickerungsmaßnahmen muss jeder einzelne bezahlen.
Die Stadt erbringt aber dennoch für Private freiwillig folgende Leistungen:
* Die Bestandsaufnahme der privaten Anschlüsse und eine Erstberatung möglicher Maßnahmen (Versickerung,
private Anschlüsse) bezahlt die Stadt, sie beauftragt damit ein Ingenieurbüro.
* Die Ausschreibung der Stadt beinhaltet nicht nur die Neuerrichtung des städtischen Kanals, sondern auch die
privaten Hausanschlüsse und privaten Versickerungen, damit die Privaten zu besseren Preisen kommen. Sie
müssen aber dieses Angebot nicht annehmen, sondern können selber eine Firma beauftragen, die Arbeiten
auf ihrem Boden durchzuführen.
* Wenn gewünscht, übernimmt die Stadt die Bauaufsicht und die Überprüfung der Abrechnung.
Städtischer Kostenbeitrag
Die Vorschreibung privater Versickerungen ist für manche BürgerInnen eine große finanzielle Belastung. Die öffentliche Hand erspart sich dadurch Kosten bei der ARA und in der Dimensionierung der Kanäle.
Daher habe ich mich – letztlich erfolgreich – dafür eingesetzt, dass Menschen, denen bei einer Kanalsanierung eine Versickerung vorgeschrieben werden muss, einen deutlichen Kostenbeitrag erhalten. Eine Bürgerinitiative in der Nachbauerstraße hat mit einer Petition an die Stadt im Jahre 2014 dabei sehr geholfen.
Höhe der Förderung: Einmalig zahlt die Stadt einen Kostenbeitrag von 12 Euro pro m2 versiegelter Fläche, deren Niederschlagswässer künftig durch die zu errichtende Sickeranlage nicht mehr in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden, höchstens jedoch 35% der tatsächlichen Errichtungskosten und beschränkt auf einen Maximalbetrag von 3.000 Euro pro Objekt.
Im Durchschnitt beträgt die Förderung seitens der Stadt rund 30% der Errichtungskosten.
Im Zeitraum vom Jänner 2017 bis zum Juli 2019 wurde seitens der Stadt für 129 Objekte eine Gesamtsumme von 239.287 Euro an Förderbeiträgen ausbezahlt.
Die Versickerung von Regenwasser (Dach- und Vorplatzwässer) ist aus vielen Gründen notwendig, aber sie muss für alle BürgerInnen bezahlbar sein. Daher bin ich froh, dass es gelungen ist, einen rund 30-prozentigen Kostenbeitrag der Stadt zu erreichen.
01.08.2019
Gebhard Greber
SPÖ-Stadtrat für Tiefbau